Bach-Marathon am 23.September 2000
Basilika St.Margareta zu Düsseldorf-Gerresheim

Wenn man von den Plänen eines Organisten erfährt, er wolle das gesamte Bach'sche Orgelwerk aufführen, so löst das angesichts des Umfanges und der Komplexität dieser Aufgabe normalerweise Achtung und Bewunderung aus. Es stellt sich dann auch schnell eine Gespanntheit und Neugier ein, in welcher Form der betreffende Spieler diese Herausforderung zu meistern gedenkt.
Die Nähe zum Jahr 2000, dem Jahr des 250. Todestages von J.S.Bach, und erst recht die vergangenen Monate brachten es mit sich, daß von solchen Planungen und entsprechenden Aufführungen in gehäufter Form zu hören war. Das Angebot für Freunde Bach'scher Orgelmusik war vielerorts sehr groß und natürlich mit der Gefahr verbunden, diese Ereignisse nicht mehr gemäß ihrer eigentlichen, der Musik zugrundeliegenden Bedeutung würdigen zu können.
Ein solches Ereignis, aber ganz besonderer Art, fand am 23.9.2000 in der Basilika St.Margareta zu Düsseldorf - Gerresheim statt. Prof. A.Fiseisky aus Moskau hatte sich seit langer Zeit schon vorgenommen, sämtliche Orgelwerke von J.S.Bach in geschlossener Form innerhalb eines einzigen Tages zu spielen. Er erhoffte sich von einer solchen Aufführung, daß dabei ein "besonderer meditativer Kontakt zwischen den Zuhörern, dem Komponisten und dem Interpreten erreicht" werden könnte. Dadurch würde sich, nach seiner Vorstellung, vielleicht "eine neue Ebene des Verstehens von Bachs Gedankenwelt" für den Interpreten und den Zuhörer erschließen.
Nach langen und intensiven Vorbereitungen, welche die Konzeption, die Werkabfolge und nicht zuletzt die eigene geistige und körperliche Kondition umfaßten, konnte er sich dieser selbstgestellten Herausforderung, seinem Beitrag zum BACH-Jahr, stellen.
Der Beginn dieses außergewöhnlichen Konzertereignisses war auf morgens 6.30 Uhr festgesetzt. Der Morgen graute noch kaum, aber vor der noch verschlossenen Kirche standen bereits eine ganze Reihe von Menschen , die offensichtlich den besonders spannungsgeladenen Moment des Konzertbeginnes erleben wollten.
Alexander Fiseisky begann pünktlich sein 1.Programm mit Präludium und Fuge C-Dur, BWV 545, einem kurzen, klaren Werk voll optimistischer Spannung, was dadurch besonders gut in diese frühe Morgenstunde paßte und die Zuhörer sofort in Bann schlug. Damit nahm ein insgesamt mehr als 19 Stunden andauerndes Orgelkonzert seinen minutiös geplanten Ablauf. Prof. Fiseisky hatte seine Aufführung sämtlicher Bach'scher Orgelwerke in sehr sorgfältiger und intelligenter Art in 16 Konzertabschnitte von jeweils ein- oder eineinhalbstündiger Dauer eingeteilt. Sein Anliegen war dabei neben der Vollständigkeit des Gesamtwerkes vor allem der Wunsch, jedem Zuhörer, auch wenn dieser "nur" einen einzigen der 16 Teile hören konnte, ein attraktives und abwechslungsreiches Konzert darzubieten. Entsprechend waren die einzelnen Konzerte, bis auf wenige Ausnahmen, von einer ansprechenden Mischung aus kleinen und großen "freien" Werken (Präludien, Toccaten, Phantasien, Triosonaten) und verschiedenen Choralbearbeitungen geprägt. Die Art der Werkauswahl kann als ausgesprochen gelungen angesehen werden. In geschlossener, thematisch zusammenhängender Form wurden lediglich die 45 Choralvorspiele des Orgelbüchleins, der 3.Teil der Klavierübung, die Choräle der Neumeister-Sammlung, sowie die 18 Leipziger Choräle in jeweils einem Konzertabschnitt gespielt. Einen Eindruck, wie gut die Vorplanungen tatsächlich gewesen sein mochten, bekam man durch die Feststellung, daß Alexander Fiseisky nie um mehr als wenige Minuten vom vorgesehenen Zeitplan abwich.
Eine weitere Besonderheit im gesamten Konzertablauf war der Gottesdienst am frühen Abend, dessen musikalische Gestaltung in die Gesamtplanung des Bach-Marathons integriert worden war. Die einzelnen Teile der Messe wurden in eindrucksvoller und passender Weise durch die 6 Schübler-Choräle unterstrichen. Kaplan Dederichs verstand es, in seiner Predigt nicht nur in vertiefender Weise die liturgischen Bezüge der einzelnen Choräle zu verdeutlichen, er ging auch in sehr eindringlicher Weise auf die besondere theologische Bedeutung der Bach'schen Orgelmusik ein. Diese sei nicht nur als Ausdruck des tiefen religiösen Verständnis des Komponisten anzusehen, sondern sei auch in besonderem Maße geeignet, Gläubigkeit und Gottvertrauen an die Zuhörer zu vermitteln.
Die Basilika St.Margareta war während des gesamten Marathons von sehr vielen Zuhörern besucht. Nicht wenige von ihnen waren nahezu während der gesamten Zeit anwesend, um Zeuge dieses einzigartigen Ereignisses zu sein. Auch der Verfasser dieses Berichtes hat mindestens 15 Stunden davon erleben können. Bei kürzeren Abwesenheiten wurde er jedoch schnell wieder, wie von geheimnisvollen magischen Anziehungskräften an den Ort des Geschehens zurückgeholt.
Alexander Fiseisky konzertierte in vieler Hinsicht auf höchstem Niveau. Selten waren kurze Spannungseinbrüche oder geringfügige technische Probleme zu bemerken. Seine Interpretationen waren von hoher Virtuosität und großer Präzision geprägt, wenn die Werke (Triosonaten, große freie Werke, Choralpartiten) es verlangten. Sie waren ebenso gekennzeichnet von großem Ausdruck und tiefer Beseeltheit (z.Bsp. in den großen Choralbearbeitungen), die dabei eine lebendige, farbige Registrierung aufwiesen und auch ein gelegentliches Pleno nicht scheuten.
In vieler Hinsicht konnte er dabei die nur scheinbar widersprüchlichen, sich in Wahrheit günstig ergänzenden Eigenschaften der Gerresheimer RIEGER-Orgel einerseits sowie des Kirchenraumes andererseits hervorragend einsetzen: Die dreimanualige RIEGER-Orgel mit ihrer zwar sparsamen, französisch orientierten Disposition und ihrer ungewöhnlichen Stimmen- und Werktransparenz sowie die weiche, langatmig hallige Akustik der spätromanischen Basilika. Er konnte sich ebenso auf die gewissenhafte Arbeit seiner insgesamt 8 Registranten verlassen, deren Arbeit zwar durch den 2 Wochen vorher erfolgten Einbau einer neuen elektronischen Setzeranlage erheblich erleichtert wurde, die dennoch eine nicht unerhebliche Mitverantwortung für das Gelingen zu tragen hatten.
Eine ansehnliche Zahl von Zuhörern hat bis zum Schluß in der Kirche ausgeharrt und wurde Zeuge des spannenden Augenblickes, als Alexander Fiseisky nach dem letzten Choral "Vor Deinen Thron tret ich hiermit" nun selbst vor sein Publikum trat und dessen intensiven Beifall entgegennehmen konnte.
Insgesamt war dies für viele Zuhörer ein überwältigendes Erlebnis: Die Intensität der Musik, die Spannung während des gesamten Tages und die überaus positive Resonanz beim Publikum haben den Mut der Veranstalter gerechtfertigt, den sie zur Unterstützung dieses Vorhabens aufgebracht haben. Prof. Fiseisky hatte sich die Gerresheimer Basilika für sein Projekt nicht zuletzt deswegen ausgesucht. Er wußte, daß der Kantor Klaus Wallrath ihn bei seinen Plänen rückhaltlos unterstützen würde.

Dieter Hafner
Geschäftsführer des Förderkreises für Musik an der Basilika St.Margareta

Anschrift:
Dr.Dieter Hafner
Bergische Landstr.293
40629 Düsseldorf
Tel.: 0211-287304


Diesen Text als pdf-Datei (83kb)

Um pdf-Dateien lesen zu können, benötigen Sie den Adobe Acrobat-Reader. Sie bekommen den Adobe Acrobat-Reader hier: